Der Raum ist auch ´ne Predigt

von Birgit Schürmann

Der Raum ist auch ´ne Predigt

Mein Interview mit Steffen Wegener, Pfarrer einer evangelischen Gemeinde, der auch schon mal in einer Predigt an einem Fahrrad Pfingsten erklärt. Freunde von mir schwärmen von seinen Predigten: Wir klebten an seinen Lippen!!! Und so machte ich mich auf, um seinem Geheimnis auf die Spur zu kommen und mehr über Predigten zu erfahren.

 

Die Predigt

Birgit: Was für einen Zweck hat eine Predigt?

Für mich ist der Zweck der Predigt, das Wort Gottes zu hören, zu verkündigen, zu hören, was es mir sagt, was es den Leuten sagt und das Wort Gottes in die Gesellschaft zu bringen.

 

Birgit: Welche Rolle spielt eine Predigt im Gottesdienst?

Die Predigt ist der Mittelpunkt eines Gottesdienstes. Wenn man Sonntags in die Kirche kommt, dann wird man merken, dass der Gottesdienst auf die Predigt hin inszeniert ist. Sie ist der Mittelpunkt des Gottesdienstes.

Selbst architektonisch: Die meisten Kirchen haben eine Kanzel. Von der Kanzel wird gepredigt und wird das Wort Gottes unter die Menschen gebracht. Die Predigt ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt und das seit der Reformation.

 

Birgit: Wie oft predigst Du und wie lange sprichst Du?

In der Ausbildung habe ich mal gelernt: Ein Pfarrer darf über alles predigen, aber nicht über 12 Minuten. Das gelingt mir selten, mich da einzusortieren. Bei 12 Minuten ist eine Konzentrationsgrenze bei Menschen, da werden sie unruhig und hibbelig in der Kirchenbank.

Ich predige an drei Sonntagen im Monat. Zu der Gemeinde gehören 2 Predigtstätten und je nachdem, halte ich an einem Sonntag eine oder zwei Predigten, die das gleiche Thema haben.

 

Die Vorbereitung 

Birgit: Wie bereitest Du Deine Predigten vor?

Das ist unterschiedlich. Idealerweise wünsche ich mir ganz viel Zeit. Von der Begegnung mit dem Bibeltext, den ich am Sonntag zu predigen habe, bis hin zur Predigt braucht es bei mir eine ganze Weile. Wenn man sich die Pfarrerdienstanweisungen anguckt, soll eine Vorbereitung auf eine Predigt ungefähr 8 Stunden dauern.

Manchmal geht es schneller, manchmal brauche ich aber unendlich lange und ich denke, ich komme gar nicht mehr auf den Punkt.

Idealerweise sieht es bei mir so aus, dass ich mir den Predigttext am Anfang der Woche mehrmals durchlese, über Besonderheiten stolpere und mir Besonderheiten notiere. Ich nehme mir den Text mit in die Woche und mache mir in der Woche Notizen, wo ich weitergedacht habe.

Und dann versuche ich mir das theologisch zu deuten und mir die biblischen Texte theologisch zu erschließen. Sie haben ihr Entstehungshintergründe und theologische Kernaussagen, die ich zu erschließen versuche. Dann versuche ich eine Predigt draus zu machen, die auch für Menschen heute noch ansprechend ist.

 

Birgit: Gibt es vorgegebene Bibeltexte?

Tatsächlich! Es gibt eine Ordnung von Bibeltexten, an die wir gehalten sind und mit denen wir uns auseinander setzen sollen. Sie wechseln im regelmäßigen Rhythmus. Jeder Sonntag hat seine fest vorgeschriebenen Bibeltexte und an die hält man sich - was nicht immer nur leicht ist.

Über die Liebe Gottes zu predigen, geht manchmal leichter von der Hand, als über Gottes Zorn oder Gottes Gericht zu sprechen.

Weil es in der Bibel immer Geschichten von Menschen sind - Lebensgeschichten, Lebensfragen und Lebenskrisen - kann man auch Parallelen ziehen von meiner Zeit in die biblische Zeit und andersrum.

 

Die Struktur

Birgit: Baust Du Deine Predigten nach einer bestimmten Struktur auf?

Das ist ganz unterschiedlich: Das hängt vom Text ab und von meiner Verfassung ab. Es kann sein, dass ich mal ganz assoziativ predige und nur Geschichten von heute erzähle oder dass ich eine sogenannte Homilie halte und mich am Text entlang abarbeite - ich bin da ganz unterschiedlich.

Manchmal nehme ich auch Hilfsmittel zur Hand, um Sachen zu erklären. Beispielsweise bin ich einmal mit einem Fahrrad in die Kirche gefahren, um Pfingsten zu erklären. Man kann wunderbare Liedtexte zur Hand nehmen: Heutige Musik hat viele Lebensfragen und Lebensinhalte, da kann man viel in eine Predigt integrieren.

Es gibt keine Grundstruktur, an der ich mich abarbeite, aber am Ende - und das ist für mich ein kleines Wunder - stellt es sich so zusammen, wie es denn sein soll. Mal ist es ganz streng, manchmal ganz locker und manchmal ganz witzig - ganz durchmischt.

 

 

Predigt und Kunst

Birgit: Deine Predigten sind auch manchmal blumig oder bildhaft?

Ich finde, mit Sprache kann man wunderschöne Bilder zaubern. Ich liebe die deutsche Sprache sehr, mit ihr zu arbeiten ist für mich ein großes Geschenk.

 

Birgit: Nutzt Du ein Mikro?

Ich habe in einer meiner beiden Kirchen eine Mikrofonanlage, aber die Leute sagen mir, dass ich auch ohne Mikrofon gut zu verstehen bin. Ich habe schon in größeren Kirchen gepredigt, da ist es gut, Verstärkung zu haben. Allerdings muss das ausprobiert werden.

Mal etwas abstrakt gesagt: Der Raum muss vorher ersprochen werden. Man kann sich nicht hinstellen und einfach losreden, sondern so ein Raum will erschlossen werden. Ich genieße die Klangvielfalt von Räumen, wenn man Worte mal im Raum stehen und nachklingen lassen kann. Das geht in Kirchenräumen ganz gut und man kann den Leuten die Möglichkeit geben, den Gedanken nachzuhängen.

 

Birgit: Liegt Deine Predigt als Text vor oder hast Du sie im Kopf?

In der Woche, in der ich mich mit meiner Predigt beschäftige, sammle ich Stichpunkte, die ich am Ende verschriftliche. Ich lerne sie dann nicht auswendig, aber da ich sie mir inhaltlich erarbeitet habe, weiß ich sehr wohl, wie sie funktioniert. Ich habe sie immer da, kann aber relativ frei vom Blatt aus sprechen.

Ich gebe zu, ich bin ein wenig in Sprache verliebt, daher hänge ich auch an Formulierungen, die, schriftlich niedergeschrieben, besser sind und die mir, wenn ich mal frei predige - was ab und zu auch mal vorkommt - nicht so gelingen. Ausformulierte und niedergeschriebene Sprache klappt besser, als frei zu predigen.

Ich erlebe, dass freies Predigen eine große Kunst ist und eine große Konzentration erfordert. Ich arbeite daran, es irgendwann regelmäßig zu tun. Manchmal gelingt es - manchmal nicht.

 

Predigt und Meinung

Birgit: Wie viel persönliche und wie viel politische Meinung darf Deiner Meinung nach in eine Predigt einfließen?

Natürlich bin ich als Person immer ganz da. Ich ziehe mich ja nicht aus, bevor ich in die Kirche gehe, sondern ich komme immer mit. Auch in der Art und Weise, mit der ich Predigten schreibe, bringe ich meine Empfindungen und meine Wahrnehmungen mit. Und die sind durchaus subjektiv, das muss man so zugeben.

Man kann die Bibel als Maßstab nehmen, für dass, was man sagt und wenn ich von der Liebe Gottes rede, die allen Menschen gilt, dann ist da nichts abzuschneiden. Da kann ich jetzt nicht sagen: Der eine ist mehr wert und der andere ist weniger wert. Dann stehe ich mit meiner persönlichen Meinung und mit meiner Glaubensmeinung und sage: Jeder Mensch ist gleich wert. Das ist ja eine persönliche, eine religiöse und heutzutage auch eine politische Meinung.

 

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