von Birgit Schürmann

Die perfekte Rede - Hans-Uwe L. Köhler zu Gast

Mein Interview mit dem gefragten Keynote Speaker, Trainer und Autor Hans-Uwe L. Köhler. Seit 39 Jahren ist er selbstständig, er wurde mit zahlreichen Preisen geehrt und hat 17 Bücher geschrieben. Eins davon ist: Die perfekte Rede.

 

Entscheidend ist, dass man Ihnen glaubt

Birgit: In Ihrem Buch "Die perfekte Rede" heisst es: „Es ist nicht entscheidend, was Sie sagen, es ist entscheidend, dass man Ihnen glaubt.“. Warum ist das so wichtig?

Der Grund ist ganz einfach: Viele Redner machen den Fehler, dass sie sich einen Riesenkopf über die Frage machen: Was soll ich jetzt alles sagen, an was muss ich denken, was will ich unbedingt loswerden?

In diesem ich-Bezug findet der Zuhörer überhaupt nicht statt. Wenn man das aber anders anpackt und sagt: Was will ich eigentlich bei dem Zuhörer erreichen, warum soll er mir der Zuhörer zuhören, was interessiert ihn?, dann kriegt die Rede eine völlig andere Richtung.

Die Worte werden ganz anders aufgebaut und es geht jetzt nicht mehr darum, was ich als Redner sagen will, sondern darum, was der Zuhörer hören soll oder will. Und für mich als Redner ist das Ziel niemals die Beantwortung der Frage: „Was will ich sagen?“ sondern: „Was will ich im Kopf meines Zuhörers erreichen?“.

 

Das grandiose Scheitern beim Auftritt

Birgit: Sie schreiben: „Scheitern die wichtigste Voraussetzung für den Triumph!“. Was meinen Sie?

Es beginnt mit einem Phänomen, dass jeder kennt, wenn er redet: Die Angst zu versagen. Für ganz viele Menschen ist es der Horrortrip, vor einer Gruppe zu reden. Sie können gut am Tisch sitzen und sich unterhalten, sobald man aber sagt: „Steh doch mal auf und halt eine kleine Rede!“ - Booms - roter Kopf und Ende im Programm.

Wir haben eine höllische Angst, uns zu blamieren und diese Angst blockiert den Kopf komplett.

Wenn man das aber umdreht und sagt: Genieße doch die Position des Clowns, das grandiose Scheitern, so richtig voll auf die Nase fallen - das ist doch was Wunderbares!

Ich werde manchmal gefragt, ja, hast Du keine Angst, Du könntest steckenbleiben? - Ich sage: Ich werde stecken bleiben!

Und Du wirst nasse Hände haben? - Ich habe nasse Hände!

Und Schweißflecken unter den Achseln? - Das kann auch passieren!

Und wenn Dein Manuskript verloren geht? - Auch das ist mir schon passiert!

Alles, was man sich vorstellen kann, was passieren könnte, passiert ja auch! Aber dann freue ich mich doch da drauf!

Das scheint eine völlig aberwitzige Position zu sein, aber sie hilft. Diese Lust am Scheitern, die Lust, man könnte es grandios in den Sand setzen, ist die Voraussetzung für eine klasse, großartige Rede!

 

Birgit: Was macht eine perfekte Rede aus?

Als Indikator für eine perfekte Rede würde ich nehmen: Wenn die Zuhörer völlig hin und weg sind und die Menschen, wenn sie zuhören, die Zeit vergessen.

 

Frei reden

Birgit: Ist es Ihnen wichtig, frei zu sprechen?

Das ist der wichtigste Punkt schlechthin! Eine Rede ist nur dann eine Rede, wenn sie völlig frei vorgetragen wird. Was ich für erlaubt halte, dass man sich den ersten Satz überlegt und möglicherweise auch den Schlussakkord. Aber alles andere ist die reine freie Rede. Sonst ist es eine Vorlesung und das ist was völlig anderes!

 

Birgit: Wie merken Sie sich Ihre Inhalte, haben Sie eine bestimmte Technik?

Ich merke mir natürlich Stichworte, aber dafür habe ich keine spezielle Technik. Man kann sich eine topografische Gedächtnisstütze bauen, dass man sich einen Raum vorstellt oder eine Strecke, die man abwandert.

Aber ich rede andersrum: Für mich ist bei einer Rede der wichtigste Teil, in welchem Zustand sollen meine Zuhörer sein, wenn ich fertig bin. Will ich sie erheitern, einlullen, erschrecken, sollen sie motiviert sein? Was immer auch möglich ist, das überlege ich mir zu Beginn und auf diese Ziel arbeite ich hin.

Was erwarten die Zuhörer von mir? Es muss ja einen Grund geben, warum ich da jetzt reden soll. Warum sind sie gekommen, warum haben sie mich eingeladen?

Ich werde häufig gefragt, wie ich denn vorgestellt werden möchte. Ich sage: Sie müssen mich nicht vorstellen. Erzählen Sie den Menschen doch den Grund, warum Sie mich eingeladen haben! Warum soll ich heute hier reden? Damit sind Sie sofort in Ihrer Rede drin!

Wenn ich zum Beispiel eine 1,5-stündige Rede halten soll, vor 400-600 Leuten, dann habe ich mir schon mal auf der Bühnenkante Stichworte auf kleine Zettel geschrieben und habe sie dort hingeklebt und bin dann immer an dieser Strecke angelaufen, um zu gucken, wo ich bin und um keinen Punkt zu vergessen. Das kann man sich aber auch merken: Ich brauche ungefähr einen Impuls für vielleicht 4-5 Minuten. Also bräuchte ich für eine Stunde ungefähr 10 Impulse.

 

Was geht bei einer Rede gar nicht

Birgit: Was sollten unsere Leser - wenn Sie eine Rede halten - unbedingt vermeiden?

Erstens: Leute zu langweilen, zweitens: rumzufaseln, vorzulesen und drittens: die Leute zu unterschätzen. Eine Rede heißt: Sie müssen erzählen, wie ein Märchenonkel!

 

Wir entscheiden zu 100 % aus emotionalen Gründen

Birgit: Sie sind Experte für emotionale Kommunikation. Für den Verkauf haben Sie die Metapher LoveSelling geprägt. Wieso soll ein Vortrag seine Zuschauer emotional berühren?

Über den Verstand erreichen wir die Menschen nicht. Alle Entscheidungen, die ein Mensch trifft, trifft er zu 100 Prozent emotional.

Wir machen nur im Nachgang einen rationalen Überbau, um es uns rational zu erklären, aber welches Produkt sie kaufen, mit wem Sie verheiratet sind, was Sie in Ihrem Leben auch immer tun, es ist immer eine emotionale Entscheidung!

Also müssen Sie in einer Rede auch gar nicht beweisen wollen - zum Beispiel rational über Fakten - dass Sie recht haben, sondern es geht darum, ob Sie ankommen, ob man Ihnen glaubt und Ihnen vertraut. Und diese Vertrauen heißt, Sie müssen sich selber vertrauen, Sie müssen sich selber auch mögen, sonst hat das Ganze überhaupt gar keinen Sinn.

Sie müssen auch dem Publikum vertrauen. Sie müssen nicht sagen: „Liebes Publikum, glaube mir!“ sondern „Liebes Publikum, ich vertraue Dir!“. Für Reden ist es viel entscheidender, die eigene Position zu klären.

 

Bildhafte Sprache

Birgit: Sie sprechen sehr bildhaft....

Ich glaube, diese Erzählfähigkeit hängt mit dem Talent zusammen, das ich habe. Ich bin ein in Bilder denkender Mensch. Ich kann mir alles über Bilder merken. Und dann gibt es noch etwas und das ist dann natürlich das Glück in diesem Beruf: die Lust am Erzählen. Mir macht es unglaubliche Freude, Geschichten zu erzählen. Ich muss sie mir gar nicht ausdenken, ich erzähle gern Geschichten, die ich erlebt habe und das reicht, das ist perfekt

 

Birgit: Was bringt eine bildhafte Sprache einer Rede?

Die Menschen verstehen Sie viel besser! Wenn Sie in Bildern reden, können die Leute Sie verstehen. Wenn Sie in Zahlen oder nur in Worten reden, versteht man Sie nicht. Heute heißt es modern Storytelling, aber die Menschen haben sich schon immer Geschichten erzählt. Was hat denn Homer gemacht? Er hat auf dem Marktplatz gestanden, den Leuten Geschichten erzählt und Bilder gemalt. Ich halte es für die hohe Schule, mit einem Pinsel im Kopf von Menschen ein Bild zu malen. Und wenn Sie zu einem Menschen sagen: „Stellen Sie sich bitte einmal vor...“, dann zieht jeder Mensch eine innere Leinwand hoch, wie ein freies Bild und jetzt können Sie auf dieser Leinwand ein Bild malen.

 

Wie viel Hans Uwe Köhler lassen Sie auf der Bühne zu?

Ich lasse die Person Hans Uwe Köhler komplett zu, da steht nie ein anderer, als nur ich. Ich schütze mich nicht, ich verstelle mich nicht, ich bin völlig ungeschützt. Und um das aushalten zu können, braucht es Selbstwertgefühl und wenn Sie so wollen, erklärt sich dadurch auch der Hinweis auf „die Lust am Scheitern“. Wenn Sie Angst um sich selber haben - aus welchen Gründen auch immer - können Sie als Redner nicht vor einer Gruppe stehen!

 

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