Du kommst ja super rüber!

von Birgit Schürmann

Du kommst ja super rüber!

Als ich mit meinem Schauspielstudium begann, gab es eine Mitschülerin, die als Privatperson unscheinbar wirkte. Stand sie aber auf der Bühne, schaute ich nur zu ihr. Ihre starke Bühnenpräsenz beamte sie in den Vordergrund. Oft habe ich mich gefragt: Wie macht sie das? Warum ist ihre Präsenz stärker, als die ihrer Mitspieler:innen? Was genau lässt sie intensiver wirken? Ist es Talent oder können andere es auch lernen?

 

Eifersüchtige Kollegen schielen auf Lacher

Mit ihr zusammen auf der Bühne zu stehen, war nicht leicht für die anderen. Eifersucht machte sich breit. Ihre Mitspieler:innen gaben alles, um von ihrer Präsenz nicht an die Wand gedrückt zu werden. Andererseits hat sie mich im Zusammenspiel oft mitgerissen. Angespornt. Und mit ihrer Freiheit angesteckt. Was sie richtig gut konnte: Ihr Kopfkino auf der Bühne abschalten. Sie legte einfach los und dachte dabei nicht viel nach. Sie zensierte sich erst hinterher. Nicht währenddessen.

 

Freier Kopf = Größere Präsenz

Was können wir von ihr lernen? Nicht jeder kann während seiner Präsentation oder Rede seine Ängste, Unsicherheiten und Eitelkeiten einfach über Bord werfen. Auch Profis haben damit zu kämpfen (und vergessen Sie blöde Sprüche wie: „Stell Dir Dein Publikum einfach nackt vor!“, bei mir hat es noch nie geholfen).

Eins kann man auf jeden Fall sagen: Je freier Sie sich von Ihrer eigenen Zensur machen können, desto mehr Spielraum haben Sie, um im hier und jetzt zu sein. Einfach da zu sein. Sie können sich zu 100 % auf Ihre Botschaft konzentrieren. Auf das, was Sie Ihren Zuschauern mitteilen wollen. Was Ihnen wichtig ist. Je freier Sie sich machen können, desto eher können Sie sich in die Leidenschaft für Ihr Thema stürzen. Können sich mehr oder weniger so zeigen, wie Sie sind.

Das schlägt sich natürlich auf Ihre Wirkung nieder. Auf Ihre Präsenz. An dieser Stelle möchte ich Ihnen Improvisationstheater an Herz legen. empfehlen. Ich kenne kein andere Methode, die den Kopf auf der Bühne so frei pustet. Die Sie flexibel werden lässt. Und Ihre Strahlkraft vergrößert.

 

Mitschwingen, mitatmen und hochkochen

Einmal habe ich meiner Kommilitonin zugesehen und gedacht: Jetzt hab ich´s! Jetzt weiß ich, wo der Ursprung ihrer Präsenz und ihrer Wirkung liegt: Sie fühlt sich sensibler in das Publikum ein, als wir anderen! Da ist Magie im Raum.

Sie atmete von der Bühne gemeinsam mit ihrem Publikum. Ich hatte das Eindruck, sie schwingt mit ihm. Sie hatte ein feines Gespür für den Rhythmus des Spiels. Für die Reaktionen der Zuschauer. Die Atmosphäre im Raum.

Sie gleicht Ihr Spiel an jedes Publikum an: Wie ein guter DJ, der im Laufe des Abends die Tanzfläche hochkocht. Oder wie bei einem Konzert, bei dem alle in den gleichen Rhythmus fallen.

Jedes Publikum ist anders. Manchmal verstehen Zuschauer ganz schnell, worum es geht. Manchmal sitzen sie aber auch auf der Leitung. Hat sich das eine Publikum an einer bestimmten Stelle vor Lachen schier weggeworfen, kann es passieren, dass ein anderes Publikum an derselben Stelle eher verhalten reagiert. Oder Pausen – für die einen Zuschauer ist die Pause zu lang, für die anderen baut sie die maximale Spannung für die Pointe auf.

Man muss sich immer wieder neu auf sein Publikum einstellen. Neu den Kontakt suchen. Aufs neue warm werden.

 

Wirkung kann man lernen

Die persönliche Ausstrahlung meiner Mitschülerin hat während der Schauspielschule gewonnen. Ihre Körpersprache und Energie haben sich verändert. Sie lernte, wie sie die Dinge so rüberbringt, dass sie wirken. Körpersprache, Stimme und Emotionen richteten sich jetzt eher nach außen. Vorher waren sie leise nach innen verschwunden. Ihre Ausstrahlung wurde sichtbarer, lauter, kräftiger.

Energie ist das Zauberwort: Ohne Energie wirken Sie nicht. Gehen Sie mit Ihrer Energie ruhig verschwenderisch um. Versuchen Sie, mit Ihrer Körpersprache zu strahlen. Füllen Sie mir Ihrer Präsenz den Raum und halten Sie damit das Interesse Ihrer Zuschauer aufrecht. Verlieren Sie Ihre Körperspannung, verschwindet Ihre Präsenz, Ihre Wirkung und gleichzeitig fällt das Interesse der Zuschauer.

Präsentieren Sie manchmal vor größeren Gruppen? Nicht immer sieht man alle Zuschauer. Einige Male moderierte ich im Friedrichstadtpalast und sah von den ca. 800-1000 Zuschauern nur diejenigen in den ersten Reihen. Trotzdem versuchte ich, Kontakt zu allen Zuschauer aufzubauen. Meine Energie zu jedem von ihnen zu schicken. Mich mit einer offener Körperhaltung allen zuzuwenden. Auch zu den Plätze an den äußersten Seiten. Zu den Reihen ganz oben. Mir war wichtig, dass sich alle angesprochen fühlen.

Je größer Ihr Publikum ist, desto wichtiger ist eine klare Körpersprache.

 

Wenn die Körpersprache petzt

Häufig fragen mich Teilnehmer meiner Seminare, was sie denn mit ihren Händen machen sollen. Ich bin ein Freund von: Wenn Sie beseelt über Ihr Thema sprechen, können Sie mit Ihren Händen machen, was Sie wollen. Dann liegen Sie automatisch richtig. Ich persönlich mag es, wenn man seine Gesten expressiv einsetzt. Wenn Sie Spaß daran haben und Sie Ihre Aussagen damit unterstützen, nur zu!

Gesten unterstützen Ihre Wirkung. Ihren Inhalt. Den größten Teil der Information verstehen Ihre Zuschauer über Ihre nonverbalen Signale.

Manche Menschen studieren Gesten ein – wenn das lässig wirkt, warum nicht? Wenn es Sie allerdings quält, einstudierte Gesten zu nutzen, sieht man das. Ihre Körpersprache petzt ganz schnell. Dann lassen Sie es besser sein.

 

Der Klang der Seele

Ihre Stimme ist unbestritten ein wichtiges Werkzeug für eine wirkungsvolle Präsenz. Einen guten Stimmklang können Sie trainieren. Unsere Stimme ist kein Organ, wie das Herz oder die Nieren. Sie setzt sich aus vielen Komponenten zusammen. Sie ist ein kompliziertes Konstrukt. Unsere Stimme ist sehr individuell. Keine gleicht der anderen. Sie heißt nicht umsonst: Der Klang der Seele. Die Stimme lässt uns in das Innerste eines Menschen blicken. Wir hören die Emotionen.

Wir nehmen an der Stimme wahr, wenn Vortragende aufgeregt oder nervös sind. Wenn wir selber vor einem Publikum stehen, wollen wir mit aller Macht verhindern, dass man merkt, dass wir aufgeregt sind. Sind wir hingegen Zuschauer und der Redner, die Rednerin ist nervös, dann finden wir es sympathisch.

 

Rhetoriktipp 1. Schalten Sie Ihr Kopfkino aus

Schaffen Sie für sich die maximale Freiheit auf der Bühne. Es unterstützt Ihre Wirkung und Bühnenpräsenz. Beobachten Sie sich: Was hilft Ihnen, Ihre innere Zensur abzuschalten? Suchen Sie nach unterstützenden Konzentrations-, Atem- oder Meditationsübungen. Gibt es ein Improtheater in Ihrer Nähe? Nichts wie hin!

 

Rhetoriktipp 2. Schwingen Sie mit dem Publikum

Fühlen Sie sich in Ihr Publikum ein: Jedes Publikum ist anders. Strecken Sie Ihre Fühler aus: Was kommt an, was nicht? Wie reagiert Ihr Publikum auf Pausen und Pointen? Nehmen Sie jede Regung auf und orientieren Sie sich daran.

 

Rhetoriktipp 3. Verschwenden Sie Ihre Energie

Strahlen, verschwenden Sie Ihre maximaler Energie, Dynamik oder man kann es auch Temperament nennen, nach außen. Halten Sie Ihre Energie aufrecht und lassen Sie sie nicht fallen. Versuchen Sie, jeden Ihrer Zuschauer mit Ihrer Energie zu erreichen und anzusprechen.

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