von Birgit Schürmann

Interview? So macht´s der Profi!

Patricia Küll arbeitet seit 27 Jahren in den Medien - seit 20 Jahren ist sie Moderatorin beim Südwestrundfunk in Mainz und Baden-Baden. Sie hat live über 1000 Interviews geführt. Auf Ihrer Couch saßen Politiker, Schauspieler und Leute von nebenan. Von ihr will ich wissen, wie man optimale Interviews führt.

 

Wache Einstiegsfrage 

Birgit: Wie gehst Du an Deine Interviews ran? Was ist Dir wichtig?

Ich sitze gerade an 3 Interviews für eine Veranstaltung, die nichts mit dem Fernsehen zu tun hat, das heißt, hier mache ich meine Recherchen selber. Ich bekomme grobe Informationen, mit welchen Menschen ich es zu tun habe. Das sind vielleicht 3,4,5 Zeilen zu den einzelnen Menschen, das ist aber noch relativ uninteressant, es sind meist nur Stichworte aus der Biografie.

Gott sei Dank gibt´s das Internet und ich google mich kreuz und quer durchs Netz und guck einfach mal: Was kann ich über diesen Menschen erfahren? Was kann ich fachlich über ihn erfahren, was kann ich über die Person erfahren?

Dann arbeite ich mich in das Thema ein. Ein Thema ist jetzt die Karl-Marx Ausstellung 2018 in Trier. Meine Aufgabe ist es jetzt, es so interessant zu gestalten, dass man ins Thema einsteigt und aber dass es nicht zu tief geht. Dass man die, die mit Karl Marx nichts zu tun haben, nicht gleich verliert.

Dass man die Einstiegsfrage so stellt, dass jeder wach ist und jeder dabei ist. Dass man ein bisschen was über ihn erfährt, dass man hinterher ein bisschen klüger ist, aber dass man nicht so tief in so eine Geschichte einsteigt, so dass man alle verliert, die mit dem Thema nichts anfangen können.

 

Warm werden

Birgit: Wie stellst Du einen guten Draht zu Deinen Interviewpartnern her?

Rapport herstellen, ist eigentlich einfach relativ einfach, wenn man offen und aufgeschlossen ist. Ich begrüße meine Gäste mit Handschlag, ich schau ihnen in die Augen und ich hör ihnen erst einmal zu. Ich frage sie, wie es ihnen geht, wie sie angekommen sind und ich versuche auch gleich, ihnen die Scheu zu nehmen.

Ein Fernsehstudio ist was sehr Unnatürliches und ich erklär ihnen erst einmal ein paar Regeln. Ich mache ein paar Witze - Witze zu machen ist immer gut, lachen entstresst die Menschen.

Ich mache jetzt keinen Witz über klein Fritzchen - ich sag so etwas wie: In die Kamera winken und die Oma grüßen, das wollen wir hier alles nicht so gerne.

In dem Moment, in dem jemand so gelöst lachen kann, ist man viel entstresster und in dem Moment, in dem man gemeinsam lacht, da hat man auch gleich einen Rapport hergestellt.

 

Es soll Kino im Kopf entstehen

Birgit: Hattest Du schon einmal einen Interviewpartner, von dem Du dachtest: Oh Gott, der bekommt ja gar nicht die Zähne auseinander?

Ja, das passiert immer mal wieder. Aus Erfahrung weiß man dann auch: Ganz junge Männer sind in der Regel nicht so wahnsinnig gesprächig. Da muss man von vorn herein darauf achten, dass man offene Fragen stellt.

Das heißt: Keine Fragen, die sie mit Ja oder Nein beantworten können, denn das werden sie dann auch tun. Am besten hat man viele Fragen in petto, damit man auch immer nachschießen kann, wenn die Antworten sehr kurz sind.

Bevor es losgeht, halte ich ein kurzes Warm-up Gespräch und dann merk ich schon, wie jemand drauf ist. Manches Mal muss ich Leuten auch sagen: Wenn Sie so lang antworten bei jeder Frage, dann kriegen wir nur eine einzige Frage und eine Antwort durch, also halten Sie sich bitte einerseits kurz, wo Sie kurz sein können, aber sein Sie andererseits ruhig lang und ausführlich, denn bei den Zuschauern soll Kino im Kopf entstehen und da müssen Sie einfach ein bisschen was erzählen.

Das erzähle ich jedem vor dem Gespräch und das funktioniert meistens auch.

 

Fragen und loslassen

Birgit: Gab es das auch schon mal, dass das Interview in eine andere Richtung gelaufen ist, als Du geplant hattest?

Die Interviews laufen meistens in eine andere Richtung - einfach deswegen, weil ich Gespräche führe. Ich habe meine Vorbereitung und ich habe meine Fragen. Aber ich frag das nicht ab und ich hake das auch nicht ab, weil es sonst kein Gespräch ist. Je nachdem, wie sie antworten, frage ich weiter. Und oftmals habe ich ganz andere Fragen gestellt, als ich es ursprünglich vorgehabt habe, das passiert einfach und das ist für mich auch ganz normal.

 

Wenn Du einen Vielredner hast oder ein Gespräch läuft aus dem Ruder, wie versuchst Du es zu lenken, damit es noch in die Zielgrade einfährt?

Manches Mal muss man einfach mal loslassen und sagen: Das wird nichts mehr! Es ist live und ich kann es nicht wiederholen. Ganz ehrlich: Wir operieren ja auch nicht am offenen Herzen, das ist ein Interview im Fernsehen. Das muss man einfach mal loslassen und denken: Okay, ich mach jetzt das Beste draus!

Bei Vielrednern, die bremse ich schon von vorne herein ein, indem ich ihnen ein Zeichen gebe. Ich verabrede mit jedem vorab ein Zeichen, wenn wir zu lang werden. 

Ich kann nicht überziehen: Ich bin nicht Thomas Gottschalk. Die lassen mir keine 5 Sekunden mehr am Ende meiner Sendung. Und jedes Gespräch in der Landesschau Rheinlandpfalz ist am Ende der Sendung. Das heißt, ich muss auf die Sekunde am Ende der Sendung fertig werden. Da geb ich vorher Zeichen, damit sie ihre Geschichte selber beenden, denn es ist unschön, wenn ich mitten in die Geschichte reingrätsche.

Und wenn es schiefläuft: Okay, loslassen und dann vielleicht noch mal eine schöne Abschiedsfrage, damit alle zufrieden sind - und dazwischen war es dann mal nicht so schön.

 

Interesse am Menschen

Birgit: Welche Fähigkeiten brauchen Moderatoren?

Ich glaube das Wichtigste ist, dass man an Menschen interessiert ist. Dass es nicht nur ein Vehikel ist, um sich selbst darzustellen. Denn es geht in dem Gespräch nicht um mich, sondern um den Anderen. Und dass man emphatisch ist, an dem Anderen Interesse hat und spürt: Da darf ich mehr fragen oder da muss ich mich erst einmal zurückhalten oder ich muss den erst mal auftauen, bevor ich mit Fragen komme, die er mir dann auch beantwortet.

Wichtig ist ein Gespür für Menschen, eine Leidenschaft für Menschen, eine Offenheit und ein Wohlwollen: "Ich will Ihnen Gutes, ich bin interessiert an Ihnen, ich schätze Sie wert, egal ob Sie einen Namen haben oder nicht!".

Und wenn meine Gesprächspartner das merken - und das merken sie, wenn das echt ist, dann ist es eigentlich nie schwierig, den Rapport herzustellen.

 

Brüche im Interview

Birgit: Hast Du eine Struktur, mit der Du an die Interviews herangehst?

Es gibt für mich keine Struktur in dem Sinne: Das ist die erste, die zweite oder fünfte Frage. Die Einstiegsfrage ist für mich sehr wichtig, aber das darf auf gar keinen Fall eine Recherchenrage sein. Also: Wer, wieso, weshalb, warum? Das sind alles Recherchefragen, die muss ich in der Regel vorher schon mal abgefragt haben. Im Laufe des Gesprächs könnte ich die eine oder andere Frage mal stellen, wenn es einen Grund gibt, warum es der Gesprächspartner es jetzt live sagen soll.

Die erste Frage muss überraschen, die muss meinen Gesprächspartner und meine Zuschauer überraschen, damit sie erst einmal dranbleiben.

Die Aufstiegsfrage ist mir auch sehr wichtig. Ich kann man nicht so planen, weil ich den Gesprächverlauf oft gar nicht kenne. Aber eine schöne Ausstiegsfrage ist immer nett.

Ich mag gern Brüche in einem Gespräch: Dass sich die Fragen nicht aneinanderreihen, sondern wenn man von einem Thema ohne Übergang bricht und plötzlich ins Persönliche kommt. Auch wenn ein Gesprächspartner wegen einer Sache da, einer Veranstaltung oder weil er gerade etwas organisiert - mich interessiert immer der Mensch.

Auch wenn der Aufhänger ein ganz anderer ist, will ich immer etwas über den Menschen erfahren: Warum macht er das? Wieso steckt sein Herzblut da drin?

 

Jetzt kommt noch was

Birgit: Was ist für Dich ein gelungenes und ein nicht gelungenes Interview?

Gelungen ist es immer dann, wenn sich mein Gesprächspartner öffnet. Wenn er nicht einfach nur das runterleiert, was er vielleicht schon ein paar mal erzählt hat. Wenn das Gespräch an der Oberfläche war und es dann einen Moment oder auch mal eine Stille gibt, vielleicht eine Sekunde Pause, in der man merkt: Jetzt überlegt er! Jetzt kommt etwas, was er noch nicht so häufig gesagt hat. Jetzt muss er nachdenken, damit er die Frage überhaupt beantworten kann!

Wenn Gefühle gezeigt werden. Wenn man gemeinsam lachen und vielleicht auch gemeinsam weinen kann.

 

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