von Birgit Schürmann

Warum Du-Botschaften Ihren Gesprächspartner verärgern

Vor ein paar Jahren wollte mich mein (damaliger) Freund zu meiner Premiere begleiten. Warum auch immer, er setzte zur Feier des Tages einen olivfarbenen Tropenhut auf. Ein olles Ding, attraktiver machte es ihn nicht. Ich fragte vorsichtig: Kann der Hut nicht zu Hause bleiben? Leider war nichts zu machen. Die Diskussion verschärfte sich. Kurz darauf war ich dann bei: Mit dem Teil machst Du Dich lächerlich! BAM! Eine Du-Botschaft.

Die heizte die Diskussion erst so richtig an. Das Ende vom Lied: Wir stritten uns und das abgewetzte Ding blieb den ganzen Abend auf seinem Kopf.

 

Mein Wunsch wurde sein Problem

Ich hatte ein Problem, ein Bedürfnis, einen Wunsch. In meinen Augen sollte der Hut weg. Meinen Wunsch formulierte ich aber so, als ob er sein Problem wäre. 

Dahinter steckte das Bedürfnis: Ich fand den Hut nicht nur grottenhäßlich, sondern er wirkte meiner Meinung nach peinlich. Ich wollte nicht, dass andere meinen Freund abwerten. Ich wollte mich nicht fremdschämen. Und auch: Ich wollte nicht abgewertet werden. Ich wollte nicht, dass irgend jemand denkt: Was hat die denn für einen komischen Freund? Ich wollte, dass ihn alle toll finden. Und stolz auf ihn sein.

Dieses Bedürfnis kommunizierte ich aber leider nicht. Stattdessen sagte ich: Du machst Dich lächerlich! Dies empfand er wiederum als Abwertung, als Herabsetzung, es minderte sein Selbstwertgefühl. Darauf reagierte er mit Widerstand und die Chance, dass er das schäbige Individuum doch noch absetzt, war verspielt.

 

Abwertende Du-Botschaften

Im Konflikt schießen die sogenannten Du-Botschaften wie Pilze aus dem Boden.

Klassiker sind:

  • Nie lässt du mich ausreden!
  • Immer guckst Du allen Frauen hinterher!
  • Ich bin Dir doch total egal!
  • Du bist ein Schwein!

Statt offen über unsere Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen, machen wir eine Aussage über unser Gegenüber. Wir sprechen über sein oder ihr (Fehl-) Verhalten. Wenn wir in der Du-Form sprechen, halten wir uns für überlegen. Wir werten uns selbst auf und fühlen uns im Recht.

Auf der anderen Seite werten wir unseren Gesprächspartner mit der Du-Botschaft ab. Er oder sie versteht die Botschaft als moralischen Vorwurf, als Schuldzuweisung, fühlt sich angegriffen und reagiert dementsprechend. Eine Kooperation können wir vergessen.

 

Du-Botschaften verzerren die Wirklichkeit

Nehmen wir an, jemand sagt zu Ihnen: Du kommst immer zu spät! oder: Nie sind Sie pünktlich!. Vermutlich ärgern Sie sich: Was? Das stimmt doch gar nicht! Denn Ihr Gesprächspartner verzerrt die Wirklichkeit mit einer Generalisierung: Du kommst IMMER zu spät, NIE sind Sie pünktlich!

Dann selbst, wenn Sie sich ein paar Mal verspätet haben - Sie sind bestimmt das eine oder andere Mal pünktlich dagewesen. Vielleicht sind Sie sogar häufiger pünktlich als unpünktlich gekommen, aber diese Male tilgt Ihr Gesprächspartner, er wischt sie sozusagen unter den Tisch.

 

Ich-Botschaften lösen Empathie aus

Zurück zu meinem verunglückten Premierenabend. Hätte an diesem Abend eine sogenannte ich-Botschaft die Wogen geglättet?

Zu 90 Prozent ja!

Ich mache mir Sorgen, dass andere über Deinen Hut lachen. Und dann schäme ich mich für Dich und für mich. Ich will, dass Dich alle bewundern. 

Diese klaren und ehrlichen Worte hätten unsere nächste Eskalationsrunde mit Sicherheit vermieden.

Ich-Botschaften schaffen ein offenes Klima. Sie lösen Empathie aus. Verwenden Sie ich-Botschaften, kann es passieren, dass Ihr Gegenüber ebenfalls in der ich-Form antwortet, obwohl er oder sie noch nie etwas von gewaltfreier Kommunikation gehört hat. Spricht eine Person über ihre Gefühle und zeigt ihre Verletzlichkeit, öffnet sich auch die andere Person.

 

Die 4 Elemente einer Ich-Botschaft

Ich-Botschaften bestehen aus 4 Elementen. Diese können Sie in einer beliebigen Reihenfolge nutzen.

1. Welches Verhalten stört Sie?

Benennen Sie das Verhalten, das Sie stört, möglichst neutral, konkret und ohne irgendeine Bewertung.

Du begleitest mich zu meiner Premiere und Du hast einen Hut auf, über den wir geteilter Meinung sind.

 

2. Welche Folgen hat das Verhalten ausgelöst?

Spürbare Folgen sind zum Beispiel der Verlust von Zeit, Geld oder Energie.

Ich ärgere mich den ganzen Abend über unseren Konflikt. Das nimmt viel von meiner Energie in Anspruch, die ich lieber anders verwenden würde.

 

3. Was fühlen Sie?

Spüren Sie Ihren Bedürfnissen, Wünschen und Gefühlen nach. Versuchen Sie diese in Worte zu fassen.

Ich mache mir Sorgen, dass jemand über Deinen Hut lacht. Dann schäme ich mich

 

4. Was soll sich ändern?

Sie können auch noch einen Wunsch oder eine Bitte hinterher schicken: Was soll in Zukunft passieren? Worauf wollen Sie sich einigen?

Ich möchte, dass Dich alle toll finden. Da ich den Eindruck habe, dass der Hut den Eindruck nicht fördert, wünsche ich mir, dass er in der Tasche bleibt.

 

Zu Beginn holprig

Ich-Botschaften im Konflikt zu nutzen, braucht ein bisschen Übung. Wenn Sie die Dialoge zum ersten Mal hören, denken Sie vielleicht an ein holpriges Drehbuch, über das ein Schauspieler sagen würde: „Die Worte kriege ich nicht in meinem Mund!“.

Mit der Zeit wird es flüssig und Sie werden merken, welche Kraft - vor allem in Beziehungskonflikten - in den ich-Botschaften stecken. Sie fördern Ihren Dialog, statt dass Sie sich in gegenseitigen Anschuldigungen verlieren. Sie entschärfen heikle Situationen und sorgen für ein verbindliches Gespräch. 

 

Versteckte Du-Botschaften

Die Aussage Ich finde, Du bist ein Schwein! beginnt mit einem Ich. Aber: Es macht sie noch lange nicht zu einer Ich-Botschaft. In diesem Fall verkleidet sich die Du-Botschaft. Sehen Sie genauer hin, erkennen Sie, dass es sich hinter dem Ich finde nicht ein Bedürfnis oder ein Wunsch, sondern ein Vorwurf versteckt.

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