von Birgit Schürmann

Wie Storytelling auch im Zahlen-Daten-Fakten Umfeld gelingt

In meinen Seminaren für Storytelling sagen Teilnehmende manchmal zu Beginn: Ich will spannende Geschichten erzählen, sag mir, was ich machen soll, das mache ich dann und fertig ist meine Story. Dann denke ich irritiert: Hä? Wieso fragst Du? Du weißt doch, wie es geht! Vorhin hast Du doch eine Geschichte erzählt?

Die Geschichte von Deinem Hund war witzig und hat gut funktioniert. Ich muss es Dir doch gar nicht mehr erzählen, was Du tun sollst?

 

Ist Storytelling der neue Hype?

Storytelling wird als neuer Hype gefeiert. Aber ist es wirklich etwas Neues? Nein - im Gegenteil, es ist ein alter Hut. Seit Menschengedenken erzählen wir uns Geschichten.

Wir erzählen Kindern Geschichten, damit sie die Welt kennenlernen: Gute-Nacht-Geschichten, Kinderbücher, Sagen und Märchen helfen ihnen, die Welt zu verstehen. Die Geschichten, die die Kinder hören oder lesen, formen ihre Welt und Werte.

Durch Storytelling werden wir die, die wir sind.

Im Theater, in Kino-, Spielfilmen und Serien sehen wir uns Geschichten an und wenn wir uns treffen, erzählen wir uns gegenseitig von Erlebnissen und Ereignissen. Was ist wieder Bemerkenswertes, Ungewöhnliches oder Blödes passiert?

Was ist also das Problem? Warum fällt es vielen schwer, im Business, vor allem im Zahlen-Daten-Faktenumfeld Geschichte zu erzählen?

 

Erzähl mir keine Geschichten

Ich vermute: Im Business Geschichten zu erzählen ist für viele ungewohnt. In unseren Köpfen schwirrt die Redewendung Erzähl mir keine Geschichten. Grob übersetzt: Erzähl mir keinen Mist.

Gerade Menschen, die vorwiegend mit Zahlen, Daten und Fakten zu tun haben, beispielsweise Wissenschaftler, Ingenieurinnen, IT-ler und IT-lerinnen tun sich schwer und empfinden Storytelling in ihrem beruflichen Umfeld unseriös.

Zahlen, Daten, Fakten und Studien sind ein äußerst wichtiger Bestandteil unseres Wissens, unserer Kommunikation. Sie belegen und beweisen Sachverhalte.

Allerdings ist eine Herausforderung Zahlen, Daten und Fakten aussagekräftig und vor allem interessant zu präsentieren.

Aber: Verbinden Sie Zahlen, Daten, Fakten mit einer Geschichte, dann entsteht eine unschlagbare Kombination:

  • Die emotionale und sachliche Ebene verbindet sich und wenn die Emotionen unter die Haut gehen, bleiben sie lange im Gedächtnis Ihrer Zuhörenden.
  • Erzählen Sie mitreißend, folgen Ihnen Ihre Zuhörenden hellwach.
  • Die Kombination erhöht die Kompetenzvermutung, die man Ihnen zuspricht.

 

So verbessern Sie Ihr Storytelling - 5 Anregungen

 

1. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf

Storytelling ist eine kreative Erzählmethode. Eine kreative Erzählmethode, die einerseits für den Aufbau einer Story unbedingt eine narrative Struktur braucht, einen dramaturgischen Faden - denn erst der sorgt für notwendige Spannung. Ohne diese Struktur, ohne einen Faden werden Geschichten sterbenslangweilig.

Und andererseits von Ihrer Kreativität lebt. Von den außergewöhnlichen Ereignissen, die Sie schildern, von Ihrem Blick fürs Ungewöhnliche, von Ihrem Gefühl für Komik, von Ihrer Rhetorik, für Ihre Darstellung des Bizarren im Alltagsgeschehen. Beim Storytelling zählt Ihre Phantasie, bei der persönlichen Geschichte Ihre Offenheit und Ehrlichkeit.

Damit will ich Sie nicht dazu animieren, Geschichten zu erfinden oder Märchen zu erzählen, sondern möchte Sie anregen, Ihr Gefühl für Erzählenswertes zu schulen.

Stimmen Ihre Geschichten nicht, sind sie angelesen oder erfunden, oder sind sie nicht ihnen, sondern möglicherweise ihrer Kollegin passiert, dann wirken Sie nicht glaubwürdig. Man merkt es Ihnen bzw. Ihrer Geschichte an.

 

2. Beweisen Sie Mut

Wenn Sie im Fakten-Fakten-Faktenumfeld Geschichten erzählen wollen, dann bringen Sie bitte auch den Mut mit, über Konflikte, Hindernisse und Probleme zu reden. Die Aussage: Bei uns läuft alles rund, wir haben keine Probleme dürfen Sie über Bord werfen. Sie sind der Glückspilz, bei dem geht es nur aufwärts geht? Tut mir leid, aber eine fortwährende Jubelmeldung eignet sich fürs Storytelling nicht. Eitelkeit ist fehl am Platz.

Und falls Sie im Dilemma stecken: Probleme ja...aber momentan ungünstig... in unserem Unternehmen haben wir just einen inkompetente Manager mit einer hohen Summe abgefunden, damit wollen wir nicht nach außen gehen - es muss nicht alles ans Licht, Sie finden sicherlich auch ein anderes Hindernis.

Hauptsache, Sie beschreiben einen Kampf. Wir Menschen interessieren uns für Kämpfe, für innere Kämpfe. Erzählen Sie von Rückschlägen, Niederlagen, Fehlern, Desastern und davon, dass die Konkurrenz an Ihnen vorbeizog.

Verwenden Sie die Niederlage als Steilvorlage und etablieren Ihren Neustart als hart erkämpfte Wiedergeburt: Wie Sie sich trotz falscher Entscheidungen, der einbrechenden Auftragslage, der verheerenden Marktsituation und daraus folgender Ratlosigkeit zurück an die Spitze gekämpft haben.

 

3. Kein Hindernis = keine Geschichte

Nicht jede bunte Bilderwelt, nicht jedes Oh, die Welt ist ja so schön, ist gleich Storytelling. Wenn wir im Werbespot eine fröhliche, tanzende und biertrinkende Truppe rund um den Grill vorgestellt bekommen, ist das noch lange keine Geschichte.

Erst ein Hindernis, ein Problem, ein Rückschlag macht eine Geschichte rund. Und bitte kein Problemchen, dass schon die Azubis im ersten Lehrjahr locker lösen könnten - sondern eine Herausforderung mit möglichst hoher Fallhöhe.

Jede gute Story braucht ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt. Einen Hollywoodfilm ohne große Hindernisse, den würden Sie nach den ersten Minuten wieder ausschalten.

Und wie bereits erwähnt: Verwenden Sie als Hürde beispielsweise den Gang zum Jobcenter oder Scheidungsanwalt, erzählen Sie eine Geschichte über Mitarbeitenden, die während der Arbeitszeit die Spinde der Kollegen und Kolleginnen aufbrechen oder den Einbruch der Auftragslage, der Ihnen die Insolvenz einbrachte.

Je unüberwindlicher Ihr Problem erscheint, desto spannender wird die Lösung für Ihre Zuhörenden.

Finden wir ein hart und mühsam erkämpften Erfolg nicht viel spannender, als wenn er uns in den Schoß fällt? Die Sportlerin, die während des Wettkampfes stolpert, sich wieder aufrappelt und an allen vorbei als Erste durchs Ziel läuft?

 

4. Echte Helden statt Zahlen

Ein Hollywoodfilm kommt natürlich auch nicht ohne Held oder Heldin aus, die sich dem Ganzen stellt, die das Hindernis überwindet, das Problem löst und dadurch eine Veränderung erlebt. Eine Transformation. Sozusagen ein vorher-nachher. Aber dafür braucht es einen Menschen. Reden Sie nicht nur über Ihr Produkt, wie toll es ist, was es alles kann usw., sprechen Sie nicht nur über Statistiken, sondern über Menschen!

Wir folgen Menschen, keinen Zahlen.

Wir verbinden uns emotional mit Menschen und nicht mit dem Rasenmäher Roboter Stihl RMI 522C. Es sei denn, sie statten den Rasenmäherroboter mit menschlichen Zügen aus. Sie lassen ihn sprechen, lieben, leiden und kämpfen.

Die Statistik der Krankheitstage je Beschäftigten pro Jahr zu lesen, das ist das Eine. Einen einzelnen Menschen erkranken zu sehen, ihn zu begleiten, mitzubekommen, wie eine Krankheit seine Erwerbsfähigkeit mindert, das Andere. 

 

5. Wer soll denn anbeissen?

Lernen Sie Ihre Zielgruppe kennen. Wem erzählen Sie Ihre Geschichte? Welche Botschaften wollen Sie an den Mann, an die Frau bringen?

Je mehr Sie über Ihre Zielgruppe wissen, desto besser können Sie Ihre Geschichten anpassen, denn wir identifizieren uns am ehesten mit den Menschen, die uns ähnlich sind oder deren Lebensumstände wir gut einschätzen können.

Welche Probleme hat Ihre Zielgruppe, was für ein Leben? Privat und im Beruf? Welche dieser Probleme lösen Sie mit Ihrer Idee, Dienstleistung, Ihrem Produkt oder Wissen? Wenn Sie Ihre Zielgruppe emotional ansprechen wollen, dann erzählen Sie von Ereignissen, die Ihre Zielgruppe kennt und möglicherweise selbst erlebt hat.

Alles, was in Ihrer Geschichte passiert, wird von Ihren Zuhörenden mit den eigenen Erlebnissen und Vorstellungen, wie etwas sein könnte, verglichen. Erst wenn es als wahr empfunden wird, als Ja, genau so ist es!, erst dann lassen sie sich emotional auf Ihre Geschichte ein.

 

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